Die Faszination des Malens im Atelier Monika Bieri entdecken
Für den zweiten Teil der Serie über Glarner Malateliers durfte ich Monika Bieri an der Bankstrasse 48 besuchen. Nebst dem Gespräch, das wir führten, durfte ich selbst tief in die Erfahrung des begleiteten Malens eintauchen.
Als ich mich nach über zweieinhalb Stunden im Malatelier von Monika Bieri verabschiede, sind mein Notizbuch und meine Seele reich gefüllt – fast überquellend. Es ist eine Art glückliche Erschöpfung, die mich nach all dem Fragen, Zuhören, Schauen und schliesslich eigenem Tun ergriffen hat: Eindrücke, denen ich erst einige Tage nachgehen muss, ehe ich darüber schreibe. Gleich vorweg, überraschend war der Vorschlag der Atelierleiterin, selber ein Bild zu malen. Auf dieses Abenteuer lasse ich mich am Ende unseres Treffens ein, jedoch ohne wirkliche Vorstellung davon, was etwa dabei passieren würde.
Dort wo dieser Nachmittag endet, an den Malwänden des hohen lichten Raumes, beginnt auch unser Gespräch. Monika Bieri muss gerade noch ein Bild vom Vorabend, das jetzt getrocknet ist, abnehmen und versorgen. Es ist ein langgestrecktes buntes Panorama mit vielen Formen und Figuren: ein Lebenspanorama. Es wurde über mehrere Sitzungen erarbeitet. Ein schönes Beispiel für das therapeutische Malen, welches sie als „Begleitetes Malen“ wie auch „Lösungsorientiertes Malen“ (LOM) für Einzelpersonen oder Gruppen anbietet. Die Ausbildung in Mal- und Kunsttherapie schloss sie am IAC Zürich ab, den LOM-Diplomgang absolvierte sie an der IHK Zürich. Als Kunsttherapeutin besitzt sie die Krankenkassenzulassung, man kann sich aber auch privat bei ihr anmelden.
Das zweite Standbein des Malateliers ist „Malen nach Arno Stern“, wobei es um das lustvolle Entdecken der eigenen Kreativität geht, das sogenannte „Malspiel“. Auch in ihm spiegelt sich, was eine Person beschäftigt, Gefühle, Erlebnisse, Träume. Diese Kurse, geeignet für Kinder ab ca. 5 Jahren bis hin ins hohe Alter, wird Monika Bieri aber erst wieder 2024 anbieten; sie gehen jeweils ein Semester. 2017 konnte sie den mit über 90 Jahren noch aktiven Arno Stern in Paris besuchen und bei ihm eine Intensivausbildung geniessen. Stern, der selber nur eine rudimentäre Schulbildung genoss, mit seiner Familie unter Hitler von Deutschland nach Frankreich emigrierte und auf seiner Flucht später auch einige Jahre in der Schweiz lebte, gelang vor über 60 Jahren mit seiner Atelierarbeit ein ganz eigener Zugang zum kindlichen Malen. Die Auswahl und Aufstellung der 18 Farben, wie sie auch in Bieris Atelier anzutreffen sind, stammt von Kindern, die Stern einst malen liess. Er arbeitete zuerst mit traumatisierten Waisen, kam dann aber später zurück aufs eigentliche „Malspiel“ und machte die faszinierende Entdeckung der über alle Kulturen anzutreffenden 70 „Erstfiguren“ welche Kinder malen, etwa die Sonne. Diese stehen in frühen Jahren weniger für konkrete Dinge als für Empfindungen.
Während unser Gespräch bereits im Gang ist, lassen wir uns in der gemütlichen Sitzecke des Ateliers nieder. Ich habe so einige Fragen, die Monika gerne beantwortet.
Wie war dein Weg zur Malatelierleiterin, und wann wusstest du: Es ist das, was du machen willst? Mich hat beides, Kunst und Psychologie, schon lang fasziniert. In der Kanti hatte ich Psychologie als Nebenfach und so entschied ich mich für das Psychologiestudium in Basel, was auch sehr spannend war. Beim Malen stand für mich immer mehr das sinnliche und kreative im Vordergrund, nicht so das technische. Richtig gefunkt hat es, als ich im Studium an einem kunsttherapeutischen Wochenend-Workshop war: Mir war fast schwindelig vor Begeisterung, ein Feuer war in mir entfacht! Also habe ich nach dem Bachelor in Psychologie gleich weiter studiert, um Kunsttherapeutin zu werden. Ich arbeitete auch in der Sozialpsychiatrie, begleitete Menschen mit geistiger Beeinträchtigung und Autismus. 2016 begann ich im eigenen Atelier in Thalwil und 2018 in Glarus.
Wie bist du zu dem Atelierraum in der Bankstrasse gekommen und wie finden Interessierte zu deinem Angebot? Mein Ziel war immer, selbstständig zu arbeiten und ich träumte davon, an meinem Wohnort Glarus ein Malatelier zu eröffnen. Dieses Lokal hier kannte ich schon, es war vorher ein Schmuckatelier und gefiel mir sehr. Plötzlich stand es zur Neuvermietung, ein Glücksfall! Alles wurde vor meinem Einzug noch renoviert, ein grosses Waschbecken neu montiert, das war wirklich perfekt. Dann habe ich die hölzernen Malwände aufgestellt, so kann man nicht von aussen hineinsehen. Neben der Ladentür habe ich Kästchen mit Flyern zu meinen Angeboten aufgehängt, da bedienen sich einige Leute. Für Maltherapien kommen Klientinnen auch via Psychologe oder Ärztin zu mir oder durchs Internet. Ich mache sonst nicht speziell Werbung, es passt gerade so. Manchmal muss ich auch Interessierte an die anderen Malateliers in der näheren Umgebung weiter verweisen.
Was führt die Menschen zu dir? Oft sind es Übergänge, wie Adoleszenz, Beginn oder Abschluss der Ausbildung, Pensionierung, einschneidende Lebensereignisse, etwa Tod eines nahen Angehörigen, Trennung oder eine Krankheit, was zu einer Nachfrage nach begleitetem oder lösungsorientierten Malen führt. Da ist dann ein Anliegen, ein Bedürfnis, Ungelöstes in einem geschützten Rahmen zu bearbeiten. Wir führen ein Erstgespräch, danach folgen meist mehrere Termine, oft 14-tägig.
Kannst du mir ein Beispiel nennen, um etwa ein schwieriges Gefühl oder eine schwierige Situation mit Malen zu bearbeiten? Sehr häufig kommen Ängste vor. Kann die Angst z.B. als eine Blume dargestellt werden, wird es möglich sie zu erleben, anzunehmen und sie gar mit einem positiven und stärkenden Bild zu verbinden, zu beruhigen. Manchmal entstehen auch Porträts, sogar Selbstporträts, in denen sozusagen eine Beziehung – zu sich selbst oder einer anderem Person – hergestellt werden kann. Das gemalte Gesicht schafft Nähe, es kann ein innerer Dialog entstehen, ein Gesehen- und Anerkanntwerden.
Gibt es beim Malen Schlüsselerlebnisse? Ja! Ganz am Anfang steht beim LOM immer das Malen mit der Hand, mit Fingerfarbe, und praktisch jeder hat dieses Schlüsselerlebnis: Durch das Verstreichen der Farben, Erleben ihrer Konsistenz und ihres Geruchs, der Entfaltung der Farben setzt ein Prozess der Entspannung, des Geerdetseins ein. In der Berührung und Bewegung des Malens beginnt man sich zu spüren, sich zu öffnen. Paulus Berensohn sagt dazu: „Was du berührst, das berührt dich.“
Was tut man mit einem fertigen Bild? Einige nehmen die Bilder heim, andere lassen sie hier. Wichtig sind oft Fotos, die wir von dem Bild machen, manche laden sie auf ihr Handy, um sie immer als stärkende Ressource bei sich zu haben.
Was ist dein Part im ganzen Prozess und was bedeutet es dir, Menschen im Malen zu begleiten? Meine Aufmerksamkeit ist ganz darauf konzentriert, den Malprozess zu unterstützen. Durchs Anbieten der Farben, Versetzen von Reissnägeln, Inputs und Nachfragen an die Klientin… Ich bin so intensiv dabei, dass es fast ist, als male ich auch dieses Bild, es entsteht eine Resonanz. Daher habe ich im Gegensatz zu früher, wo ich viel selber malte, kaum noch das Bedürfnis selbst zu malen. Was entsteht, ist immer wieder erstaunlich und überraschend, es ist ein Geschenk. Ich bin mit der Klientin stolz und glücklich über ihr Werk. Wenn sich während der kunsttherapeutischen Intervention Lebensmuster zeigen, wenn man etwas lösen oder heilen kann, ist es auch für mich sehr schön.
Das hört sich intensiv an. Kann man sicher nicht acht Stunden am Tag machen, denke ich, und so ist es auch: Monika Bieri hat noch einen anderem Beruf, sie ist Zivilschutzstellenleiterin in Glarus. Sie macht zudem immer wieder Weiterbildungen und arbeitet mit einem Supervisor. Sie beschäftigt sich u.a. auch mit Malen für Pallativpatienten und „Malen nach Diktat“, also stellvertretendem Malen für Leute, die dies selbst nicht mehr ausführen können. Ein grosses, spannendes Spektrum.
Wie gesagt, meine eigene Malstunde im Atelier verlief sehr überraschend. Gerade weil ich sonst eher musizierend oder schreibend tätig bin, aber die Synthese von verschiedenen Künsten immer schon spannend fand, war ich neugierig. Wobei ich allerdings eher an meinen Malfähigkeiten zweifle, aber es geht ja nicht um Perfektion. Ich war überrascht über die intensiven Gefühle, welche mich beim Malen und Entstehenlassen des Bildes ergriffen. Ich hatte zwischendurch den Impuls, sie zu verdrängen, aber stellte mich ihnen dann doch. Es erfordert auch Mut, zuzulassen welche Motive und Farben mein Inneres wohl unbewusst auswählte. Genauso wichtig wie mein eigener Part war aber Monikas Präsenz und Input, um mich in dem Malprozess zu halten und zu leiten. Mit dem Ergebnis war ich (meiner Vorbehalte zum Trotz) ziemlich zufrieden. Ich werde das Bild, wenn es getrocknet ist, gerne zu mir nehmen. Vielen Dank Monika für diesen speziellen Nachmittag!
Malatelier Monika Bieri: Bankstrasse 48, 8750 Glarus, info@malatelier-glarus.ch, 077 437 80 59
Text und Bilder: Swantje Kammerecker